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Diversity & Wertschöpfung

Melanie Vogel, unter anderem Initiatorin der Women and Work, im Interview zu den Themen Diversität und Wertschöpfung.

Melanie Vogel, unter anderem Initiatorin der Women and Work, im Interview zu den Themen Diversität und Wertschöpfung.

Mehr zu den Themen:   melanie vogel women&work
10.12.2014

JOBVERDE.de: Frau Vogel, wie würden Sie Diversity-Jobs beschreiben?

MELANIE VOGEL: Diversity-Jobs sind gezielte Stellenangebote und -gesuche aus den Bereichen Internationales/Migration, Gender, 50plus, LGBT und Diversity Management. Jobs also, die sich im weitesten Sinne mit dem Thema Diversity auseinandersetzen, Diversity-Kenntnisse bzw. eine entsprechende Offenheit für Vielfalt und „Anderssein“ voraussetzen.

Welche Praxisbeispiele gelebter Diversität in Unternehmen kennen Sie?

Aus meinem konkreten Arbeitsumfeld als Initiatorin und Veranstalterin der women&work fallen mir da natürlich zuerst Frauennetzwerke ein, die sehr häufig in männerdominierten Unternehmen etabliert werden, um die wenigen Frauen, die in diesen Organisationen arbeiten, stärker zu vernetzen. Aber auch Mentoring-Programme sind geeignet, Vielfalt zu verbinden – ebenso wie das Anerkennen und Würdigen unterschiedlicher Feiertage – basierend auf den Glaubensrichtungen der MitarbeiterInnen aus dem In- und Ausland. Aber auch LGBT-Netzwerke oder das konkrete Anwerben von MitarbeiterInnen 50+ sind gelebte Beispiele für eine divers ausgelegte Unternehmenskultur.

In Zeiten der Globalisierung und Interkulturalität müssen Führungskräfte immer flexibler und offener im Umgang mit ihren Mitarbeitern werden, um sich auf kulturelle Veränderungen einstellen zu können. Welche Vorteile hat eine diversifizierte Belegschaft?

In einer Zeit, in der Wandlungsfähigkeit über die Zukunft von Unternehmen entscheidet, in der der globale Wettbewerbsdruck zunimmt, ist eine vielfältige Belegschaft die elementare Grundvoraussetzung für die Zukunftssicherung des eigenen Unternehmens. Sie bietet den Nährboden für Innovationen, denn je größer der Reichtum an Lebenseinstellungen, Kenntnissen und Erfahrungen innerhalb der Belegschaft ist, desto größer ist das (kreative) Potenzial, das eine Firma entfalten kann. Decken Unternehmen innerhalb der Mitarbeiter nicht die gesamte Bandbreite der Bevölkerung ab – sei es in Bezug auf Alter, Herkunft, Religion oder Gender – wächst folglich die Gefahr, dass Innovationspotenzial unentdeckt bleibt und Produkte an den Zielgruppenbedürfnissen vorbei entwickelt werden.

Was halten Sie von der Forderung einer Frauenquote im Management der Unternehmen?

Ich würde mir wünschen, dass wir die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen in den Führungsetagen deutscher Unternehmen ohne Quote hinbekämen, aber die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen ganz deutlich, dass die über viele Jahrzehnte gewachsenen Macht- und Hierarchiestrukturen in den Unternehmen von einzelnen Frauen alleine nur schwer bis gar nicht durchbrochen werden können. Schafft es eine einzelne Frau an die Spitze, fehlt ihr im Regelfall das entsprechende Netzwerk, um ihre Position zu festigen. Ein „Old Girls Network“ gibt es eben noch nicht. Eine Quote kann helfen, bestehende Strukturen zu durchbrechen und Veränderungsprozesse schneller voran zu treiben. Beim Frauenwahlrecht war es doch ähnlich. Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Gang zur Wahlurne für Frauen undenkbar – heute wird das Wahlrecht für Männer und Frauen nicht mal mehr im Ansatz in Frage gestellt. Geholfen hat dabei eine Gesetzesänderung.

Welche Tätigkeiten können Frauen auf Managementebene besser als ihre männlichen Kollegen und wie könnte eine Führungsriege optimalerweise besetzt sein?

Ich möchte nicht gerne in den Kategorien „besser“ oder „schlechter“ denken. Führungskompetenzen können nämlich zum einen erworben werden und zum anderen sind die bestehenden Unterschiede zwischen männlichem und weiblichen Führungsverhalten weder „besser“ noch „schlechter“, sondern in der heutigen Zeit eine sinnvolle und lange überfällige Ergänzung. Ich bin ein großer Fan der doppelten Führungsspitze: Warum nicht das Top-Management und die Führungskräfte generell entlasten durch ein „Leadership-Sharing“. Es käme den Führungskräften zugute, die – das ist zumindest das regelmäßige Feedback aus meinen Führungskräfte-Seminaren – eh chronisch überlastet sind und mit einem „Leadership-Sharing“ eine größere Chance hätten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Es käme der Tätigkeit an sich zugute, denn vier Augen sehen mehr als zwei, zwei Köpfe denken vielfältiger als einer alleine. Und nicht zuletzt käme es auch den MitarbeiterInnen zugute, die auf unterschiedliche Führungskompetenzen zurück greifen könnten.

Wie viel Ethik ist im Begriff der Wertschöpfung Ihrer Meinung nach aktuell enthalten?

Für mich sehr viel, denn die Wertschöpfung findet meiner Meinung nach erst dann wirklich statt, wenn ich die Menschen und ihre Arbeitsleistung im Unternehmen wertschätze. Wird eben diese Wertschätzung gelebt, sind die Menschen in einem Unternehmen anerkannt und geachtet, dann sind sie in der Folge loyaler, weniger wechselwillig und hoch motiviert. Ein gutes Unternehmensklima hat einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf den Gewinn, den ein Unternehmen erwirtschaftet. Je nach Klima kann dieser um 30 Prozent nach oben oder unten schwanken, das ergab eine Studie der Hay Group im Mai 2013. Und aus meinen eigenen Führungskräfte-Trainings weiß ich: Wird nach oben oder unten gemobbt und fehlt die Anerkennung, schnellt der Krankenstand in die Höhe und die Motivation lässt nach. Dienst nach Vorschrift ist die sehr menschliche Konsequenz, an der aus Innovationsgesichtspunkten kein Unternehmenslenker ein Interesse haben kann.

Was sollten die Unternehmen unter Wertschöpfung verstehen. Mit höher, schneller, weiter bekommt man heutzutage doch niemanden mehr motiviert, oder etwa doch?

Nein, ganz sicher nicht. In der Wirtschaft geht es nicht nur um Zahlen. Als wir im letzten Jahr knapp 400 Studierende und Absolventen bundesweit befragten, welche Handlungen sie seitens des Arbeitgebers als besonders wertschätzend empfinden, war 'Lob' war mit 66 Prozent neben dem „Einbeziehen in Entscheidungen“ die zweit wichtigste wertschätzende Handlung, die ein Arbeitgeber aus Sicht der Generation Y den Mitarbeitenden zukommen lassen sollte. Und viele neurowissenschaftliche Studien bestätigen: Sprechen Führungskräfte Lob und Anerkennung aus und zeigen sie den Mitarbeitern gegenüber Wertschätzung und Loyalität, so setzen sie in den Gehirnen der Mitarbeitenden die glücklich machenden Stoffe Dopamin, Oxytozin und Opioide frei und tragen so automatisch dazu bei, eine motivations- und leistungsfördernde Umgebung herzustellen, in der Arbeiten Spaß macht und eine hohe Identifikation mit dem Arbeitgeber möglich ist. Die Wertschöpfung erfolgt an dieser Stelle dann ganz von alleine!

Wie könnte man betriebswirtschaftlich Diversität mit Wertschöpfung verschmelzen, damit positive Effekte für Unternehmen entstehen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir den Faktor „Menschlichkeit“ wieder stärker in den Fokus rücken sollten, denn Wirtschaftsakteure sind Menschen - Männern und Frauen verschiedenen Alters, aus unterschiedlichen Herkunftsregionen mit unterschiedlichen biografischen Hintergründen und ihren ganz individuellen Stärken und Talenten. Das ist Diversity! Wird Diversity gelebt – werden also die unterschiedlichen Fähigkeiten und Talente wertgeschätzt, werden Menschen stärkenorientiert eingesetzt und wird die Vielfalt auch und vor allem aus Innovationssicht wertschöpfend genutzt, dann verschmelzen Diversity und Wertschöpfung und werden zu einem echten Gewinn, der die Zukunftsfähigkeit eines jeden Unternehmens sichern kann.

Kennzahlen wie Gewinnwachstum, Umsatzrendite und ROI gehören zum ABC der Wirtschaft. Wirtschaftswachstum lässt jedoch die Endlichkeit vieler Ressourcen außer Acht. Wie könnte man also zukünftig wirtschaftlichen Fortschritt messen, ohne auf Kosten der Natur zu Wirtschaften?

Aus meiner Sicht wäre ein Ansatzpunkt, Unternehmen nicht mehr nach den Quartalszahlen zu messen, sondern zum Beispiel nach der Wechselwilligkeit der Belegschaft, nach der Arbeitsmotivation und nach der Höhe und Dauer des Krankenstandes. An diesen neuralgischen Punkten verlieren Unternehmen massives Kapital monetärer Art, aber auch Wissens- und Knowhow-Kapital, das in Zeiten des demografischen Wandels unersetzbar ist. Würden Unternehmen an diesen Stellen nachhaltig mit der „Ressource Mensch“ umgehen, würde sich – und das ist meine feste Überzeugung – auch die Wertehaltung in Bezug auf Umwelt und natürliche Ressourcen ändern. Denn wir würden mit einer solch geänderten Wertehaltung den Humanismus in die Wirtschaft integrieren und das Bewusstsein festigen, dass Menschen biologische Wesen sind, die eine intakte Umwelt brauchen, um nachhaltig gesund sein und möglichst lange am Arbeitsleben teilhaben zu können.

Über Melanie Vogel:
Melanie Vogel ist Geschäftsführerin der AoN – Agentur ohne Namen GmbH. Als Initiatorin der women&work, Deutschlands größtem Messe-Kongress für Frauen, wurde die AoN 2012 mit dem Innovationspreis „Land der Ideen“ ausgezeichnet.

Melanie Vogel hat erste Frau die Ausbildung zum Innovation-Coach (Master) ausgezeichnet mit dem "Internationalen deutschen Trainingspreis 2013/2014 des BDVT bei Benno van Aerssen und Christian Buchholz absolviert, ist Mitglied im Innovations-Netzwerk der Stanford University, zertifizierte Trainerin für "Situatives Führen II" nach Ken Blanchard sowie zertifizierte DISG® -Trainerin. Sie hat außerdem am Einführungskurs "TugendProjekt" teilgenommen, Teil des weltweiten VirtuesProject®.

http://www.womenandwork.de

http://www.melanie-vogel.com

 



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