Grüne Wirtschaft

"Nachhaltiges Bauen ist mehr als ein kurzfristiger Trend."

Im Interview Dipl.-Ing. Joachim Straub, Geschäftsführer der Sika Deutschland GmbH.

Im Interview Dipl.-Ing. Joachim Straub, Geschäftsführer der Sika Deutschland GmbH.

05.02.2014 Bilder: Sika Deutschland GmbH

UHS.de: Herr Straub, Sie sind als Geschäftsführer der Sika Deutschland GmbH ein starker Verfechter der Nachhaltigkeitsthematik. Warum ist dieses Thema für Sie so wichtig?

JOACHIM STRAUB: Gerade als Hersteller von chemischen Bauprodukten sehen wir es als unsere Pflicht an, uns fortwährend Gedanken über Umweltschutz und geeignete Rohstoffe zu machen. Wir haben unser Augenmerk schon lange auf das gerichtet, was wir heute unter dem Begriff Nachhaltigkeit verstehen. Denn wir betrachten diese Entwicklung als gesellschaftlich sinnvoll und sind überzeugt, dass sie uns auch in Zukunft große Marktpotenziale eröffnen wird.

Ein Bauchemieunternehmen und Nachhaltigkeit – wie lässt sich das vereinbaren?

Natürlich vermutet man zunächst einen Widerspruch. Für uns ist dies aber gut zu vereinbaren. Chemieunternehmen stehen zwar umwelttechnisch unter Dauerbeobachtung, aber genau deshalb haben sich hier auch die höchsten Sicherheitsstandards mit entsprechender interner Kompetenz gebildet. Bei Sika wird das Umweltmanagement nach ISO 14001 seit über 15 Jahren in turnusmäßigen Audits überprüft und laufend weiterentwickelt. Dies gilt für unseren gesamten Konzern mit insgesamt 15.000 Mitarbeitern in über 70 Ländern, der nun auch nach den GRI-Richtlinien berichtet. Außerdem verfügt die Sika Deutschland über ein Energiemanagementsystem, das 2012 als eines der ersten nach ISO 50001 zertifiziert wurde. Nachhaltigkeit ist das Zukunftsthema Nummer eins für Sika.

In der Öffentlichkeit wird der Begriff Nachhaltigkeit in verschiedensten Zusammenhängen gebraucht. Wie ist dies bei Sika, wofür steht Nachhaltigkeit bei Ihnen?

Die geradezu inflationäre Verwendung des Begriffes führt leider zu einer Defokussierung in der Öffentlichkeit. So geht dieser Begriff inzwischen jedem leicht über die Lippen und dabei häufig weit am eigentlichen Thema vorbei. Für uns stehen eindeutig unsere Produkte sowie deren Herstellungsprozesse im Mittelpunkt: Der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen – wie Öle aus Cashew-Nussschalen für die Verwendung in Reaktionsharzen – ist hierfür ein gutes Beispiel. Diese stellen übrigens keine Konkurrenz zu Lebensmitteln dar. Aber auch der vollständige Verzicht auf Weichmacher bei unseren Kunststoffdachbahnen oder die Reduzierung von VOC-Gehalten bei den Beschichtungssystemen sind wesentliche Bausteine unserer Nachhaltigkeitsstrategie. In Zukunft werden wir diese auch verstärkt von der Forschung und Entwicklung in alle anderen Unternehmensbereiche übertragen. Auch das Energiemanagement, der verminderte Wasserverbrauch sowie die Rohstoffoptimierung spielen bei der nachhaltigen Herstellung unserer Produkte eine gewichtige Rolle. Hier nimmt die Sika Deutschland eine Vorreiterrolle im Konzern ein, vor allem durch konkrete Projekte wie unseren eigenen Sika Solar Park oder auch durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen im Fuhrpark.

Bisher treten Sie mit diesen Themen und einer Nachhaltigkeitsbotschaft nicht an die breite Öffentlichkeit. Gibt es hierfür Beweggründe?

Das liegt zum einen daran, dass wir uns schon seit vielen Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen und nicht erst seitdem der Begriff in Mode kam. Zum anderen wollen wir ausdrücklich vermeiden, den Nachhaltigkeitsgedanken im Rahmen „schöner“ Werbeaussagen auf unsere Fahnen zu schreiben. Im gesamten Sika Konzern gibt es eine klare Regel, die das sogenannte „Greenwashing“ – also eine grüne Imagebildung – verbietet. Für uns stehen vielmehr echte Lösungen an erster Stelle und diese versuchen wir denen nahezubringen, für die sie gemacht sind. Aber auch hier gibt es Grenzen: So sind wir uns dessen bewusst, dass es durch die Vielschichtigkeit der Nachhaltigkeitsaspekte leicht zu einer Überinformation kommen kann. Daher fokussieren wir uns auf das zentrale und für unsere Kunden immer wichtiger werdende Thema – nachhaltiges Bauen.

Wie erklären Sie sich, dass sich das Thema nachhaltiges Bauen in den letzten Jahren so rasant entwickelt hat?

Immer mehr Menschen wird klar, dass viele Ressourcen nur begrenzt zur Verfügung stehen. Daraus ergibt sich bei einem Großteil der Bauherren der Wunsch, ihr neues Gebäude möglichst umweltverträglich und ressourcenschonend zu gestalten. Gleichzeitig möchte natürlich niemand auf einen gewissen Komfort verzichten. Und genau hier liegt das Erfolgsgeheimnis des nachhaltigen Bauens: Einerseits werden Produkte verbaut, die deutlich weniger negative Auswirkungen auf die Umwelt haben als herkömmliche Produkte, andererseits herrscht in diesen Gebäuden eine spürbare Wohlfühlatmosphäre. Auf diese Weise wird allen Nutzern vor Augen geführt, dass Nachhaltigkeit nichts mit Verzicht zu tun hat. Stattdessen können Bauherren aktiv zu mehr Nachhaltigkeit beitragen.

Sind denn alle für das nachhaltige Bauen eingesetzten Produkte von Sika genauso leistungsfähig wie herkömmliche Produkte?

Für uns steht außer Frage, dass auch nachhaltige Produkte durch ihre Eigenschaften und Leistung überzeugen müssen. Als nachhaltig stufen wir nur Produkte ein, die über einen nachweisbaren Nachhaltigkeitsbeitrag verfügen. Dabei kann es sich beispielsweise um den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen oder die Erfüllung von Zertifizierungsanforderungen handeln. Dem Gedanken, dass Nachhaltigkeit mit Verzicht gekoppelt ist, wirken wir mit unseren Produkten entgegen, und jeder Kunde kann sich selbst davon überzeugen, dass alle unsere für das nachhaltige Bauen eingesetzten Produkte mindestens so leistungsfähig sind wie die herkömmlichen. Nicht umsonst entwickeln wir unser Sortiment seit Jahren unter Nachhaltigkeitsaspekten weiter. Dass wir damit genau die richtige Entscheidung getroffen haben und nachhaltiges Bauen deutlich mehr als ein kurzfristiger Trend ist, spüren wir heute mehr denn je.

Wie wichtig ist für Sika das Gebäudezertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB)?

Neben der Zertifizierung nach dem amerikanischen LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) hat sich die DGNB in den letzten Jahren als Standard für den deutschen Markt herauskristallisiert. Eine Zertifizierung ist kein einfaches Unterfangen, da sie sehr viele einzelne Bauprodukte bewertet und darüber hinaus auch Aspekte wie Planung und Betrieb eines Gebäudes berücksichtigt. Das Bewertungssystem der DGNB zieht neben den ökologischen auch die ökonomischen und sozialen Aspekte des Bauens in Betracht – insgesamt gibt es bis zu 50 Nachhaltigkeitskriterien. Deshalb ist das meiner Meinung nach der einzig richtige Weg. Dies haben wir früh erkannt und sind bereits seit 2010 Mitglied der DGNB. So können wir aktiv an der Weichenstellung in Richtung Nachhaltigkeit mitwirken.

Mit Ihren Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit sind Sie ja als Hersteller nicht allein. Was macht Sika in punkto Nachhaltigkeit anders als der Wettbewerb?

Die Differenzierung allein in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte ist nicht so einfach. Im Wesentlichen wollen wir uns auch nicht am Wettbewerb orientieren, sondern unserer eigenen Strategie folgen. Dazu gehört, dass wir neben dem reinen Produktherstellungsprozess auch selbst in die Anwendung gehen: Mit unserem 2013 fertiggestellten Büro- und Verwaltungsgebäude am Standort Stuttgart haben wir ganz bewusst die andere Seite – die unserer planenden und bauenden Kunden – kennengelernt. Dieses Gebäude wurde nach den Anforderungen der DGNB errichtet und zertifiziert, als eines von derzeit rund 100 in Deutschland. Dabei kam eine Vielzahl unserer eigenen nachhaltigen Produkte zum Einsatz. Dieser Prozess hat uns an vielen Stellen die Augen geöffnet, denn es gehört eben viel mehr dazu als nur ein Produkt bzw. System auf den Markt zu bringen. In dieser Hinsicht verstehen wir heute die Bedürfnisse unserer Kunden deutlich besser, wenn es um nachhaltiges Bauen geht. Diese ganzheitliche Sicht – von der Forschung über die Produktionsprozesse bis hin zur konkreten Anwendung sowie unser eigenes zertifiziertes Gebäude als praktisches Beispiel für Marketing und Vertrieb – ist für uns ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Beziehen sich die Nachhaltigkeitsbemühungen lediglich auf die Bauprodukte von Sika?

Die Bauprodukte stellen zwar mit fast 80% unseres Umsatzes den größten Anteil dar, aber auch bei den Produkten für die fertigende Industrie ist der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit deutlich zu vernehmen. Dies gilt für unsere Kleb- und Dichtstoffe, die in der Automobilindustrie für eine deutliche Gewichtsreduktion sorgen, genauso wie für unsere Composit-Werkstoffe, die im Formenbau für Windkraftanlagen einen Beitrag zur Energiewende leisten. In gleicher Weise trifft dies für die Backrailverklebung von Photovoltaikmodulen mit Sika Klebstoffen zu.

Wie sieht Ihre Vision zur Nachhaltigkeit aus?

Wir alle haben in den letzten Jahren die Erkenntnis erlangt, dass wir mit unserem Planeten so nicht weiter umgehen können. Neben dem Klimawandel und der Ausbeutung der fossilen Rohstoffe sind es vor allem Megatrends wie Urbanisierung, Globalisierung und Mobilität, die uns zum Umdenken bewegen. Um den uns folgenden Generationen eine lebenswerte Welt mit den gleichen Chancen zu übergeben, ist Nachhaltigkeit das oberste Gebot. Diese Botschaft hat vielleicht noch nicht alle erreicht, aber die gute Nachricht ist: Wir sind schon zu viele, um diese Entwicklung umkehrbar zu machen. Von uns, als weltweit tätiges Unternehmen der Spezialchemie, werden künftig jedoch nicht nur innovative Lösungen verlangt, sondern Nachhaltigkeit auch als innere Haltung: als Grundlage des täglichen Tuns. Aus diesem Grund folgen wir unserem Motto: „Wir wollen Nachhaltigkeit leben!“.

Welche Karrierechancen insbesondere unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben Frauen in Ihrem Unternehmen? Diese Frage findet in Kooperation mit der Women & Work statt, dem größten Frauenkongress Deutschlands

Grundsätzlich legen wir bei der Sika Deutschland GmbH besonders viel Wert darauf, allen Mitarbeitern unabhängig von Geschlecht, Nationalität oder Religionsangehörigkeit die gleichen Entwicklungschancen zu bieten. So unterstützen wir sowohl unsere männlichen, als auch unsere weiblichen Mitarbeiter bestmöglich und verfügen über ein flexibles Arbeitszeitmodell, das sich den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter anpasst und oftmals keine Kernarbeitszeit beinhaltet. Darüber hinaus haben wir verschiedene Teilzeitmodelle im Programm, die den Wiedereinstieg beispielsweise nach der Elternzeit erleichtern. An unserem Hauptsitz in Stuttgart werden wir in diesem Sommer außerdem erstmals ein Ferienprogramm anbieten, das die Versorgung der Kinder unserer Mitarbeiter während der Sommerferien gewährleistet. Uns ist bewusst, dass die erfolgreiche Umsetzung dieser Modelle im Wesentlichen vom Verständnis der Vorgesetzen abhängt, deshalb wurden und werden diese dazu angehalten, gemeinsam mit ihren Mitarbeitern stets die individuell beste Lösung zu finden.




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