Grüne Wirtschaft

Die AfB, Europas erstes gemeinnütziges IT-Systemhaus

Wir interviewten Daniel Büchle, den Geschäftsführer der AfB gemeinnützigen GmbH und befragten ihn unter anderem zum Geschäftsmodell der AfB.

Wir interviewten Daniel Büchle, den Geschäftsführer der AfB gemeinnützigen GmbH und befragten ihn unter anderem zum Geschäftsmodell der AfB.

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UMWELTHAUPTSTADT.de: Herr Büchle, das Geschäftsmodell von AfB ist die Aufbereitung gebrauchter IT-Geräte von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Wie funktioniert das genau und wer kann sich beteiligen?

DANIEL BÜCHLE: AfB hat sich als erstes gemeinnütziges IT-Systemhaus Europas darauf spezialisiert, ausgemusterte IT-Hardware von großen Konzernen, mittelständischen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen aufzubereiten, eine zertifizierte Löschung vorhandener Daten vorzunehmen und die Geräte erneut in den Verwendungs-Kreislauf zurückzuführen. Die Geräte werden von unsern Mitarbeitern abgeholt, an den nächst gelegenen AfB Standort mit eigenem Fuhrpark transportiert, vor Ort inventarisiert, getestet, die Daten werden zertifiziert und mit Nachweis gelöscht, falls nötig repariert und anschließend mit mindestens einer 12-monatiger Gewährleistung an alles unseren Standorten in Shops oder im Online-Shop wieder verkauft.

Heute schon sind zahlreiche große Konzerne, Banken, Versicherungen und öffentliche Einrichtungen CSR-Partner von AfB. Sie sehen den Vorteil darin, notwendige Geschäftsprozesse ohne zusätzliche Investitionen mit sozialem und ökologischem Engagement zu verknüpfen. Durch diese Partnerschaften konnten an mittlerweile 11 Standorten in Deutschland, Österreich und Frankreich bereits 180 Arbeitsplätze in der IT-Branche geschaffen werden, davon 50 Prozent für Menschen mit einem Handicap.

Wie hoch schätzen Sie, ist das Volumen gebrauchter Geräte, die in Deutschland verschrottet werden, sich jedoch zur Aufbereitung eignen würden? Wagen Sie eine Prognose, wie viel Elektroschrott und CO2 dadurch vermieden werden könnte?

Wenn wir unsere Zahlen betrachten und das Jahr 2012 als Beispiel nehmen, hat AfB 2012 über 220.000 Geräte bei den Kooperationspartnern abgeholt, inventarisiert und getestet. Rund 80% der Ware konnte weitervermarket und dem Markt zugeführt werden.

Rund 40 Millionen Tonnen Elektroschrott werden schätzungsweise weltweit pro Jahr verursacht. Viele Unternehmen weichen aufgrund niedriger Standards in Billiglohnländer aus. Wir haben uns diesem Problem angenommen, um gebrauchten Geräten ein zweites Leben zu verschaffen. Denn durch die Aufbereitung gebrauchter IT – Geräte werden erhebliche Mengen an CO2- Emissionen und natürliche Ressourcen eingespart. Gerne erstellen wir unseren Kooperationspartnern jährlich eine Nachhaltigkeitsbilanz über die Zusammenarbeit und die positiven Umwelteinwirkung durch die Rückgabe der IT- Hardware.

Wann lohnt sich grundsätzlich das Aufbereiten gebrauchter IT?

Viele Unternehmen tauschen ihre IT, obwohl diese noch voll funktionsfähig ist. Zur Produktion neuer IT Hardware wird wiederrum eine erhebliche Menge an CO2 freigesetzt und knappe natürliche Ressourcen wie Frischwasser oder Edelmetalle verbraucht, deren Abbau die Umwelt zusätzlich belastet. Die Produktion allein eines Laptops verschwendet rund 600 Kilogramm Treibhausgase.

Ein Notebook welches z.B. vier Jahr bei einem Unternehmen in Betrieb war und danach zur AfB kommt, ist evtl. mit einem geringem Aufwand absolut funktionsfähig und kann weiter verkauft werden. Im Normalfall muss man immer nach der Geräteart, Zustand und Alter entscheiden

Durch die Wiederaufbereitung wird der Bedarf an neuer IT Hardware effektiv reduziert. Elektronikabfall wird verringert, knappe Rohstoff- und Energiereserven werden geschont. Alle Geräte, die aufgrund ihres Zustands oder Alters nicht mehr repariert und in das Verkaufssortiment aufgenommen werden können, werden im hauseigenen Zerlegebetrieb in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt. Unsachgemäße Entsorgung in Entwicklungsländern wird hiermit vermieden. Ausgebaute Komponenten dienen der Aufrüstung und Reparatur anderer Geräte. Alle übrigen Komponenten werden sortenrein getrennt. Kupfer, Aluminium, Edelstahl und andere Metalle werden so zur fachgerechten Aufbereitung an zertifizierte Scheideanstalten in Deutschland übergeben und dadurch wieder dem Rohstoffkreislauf zugeführt. Auf diese Weise können jährlich mehrere tausend Tonnen Rohstoffe eingespart werden.

Wie beurteilen Sie aktuell die Beschäftigungschancen behinderter Menschen in Deutschland? Geht es vielen Unternehmen zunächst um die Einhaltung von Quoten?

Politik und Gesellschaft arbeiten zielstrebig daran, die Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung weiter voranzutreiben und eine Basis für grenzenlose Integration in unserer Gesellschafft zu schaffen. Durch die neuere Gesetzgebung ist die Gesellschaft aufgefordert, Strukturen zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung zu schaffen. In Deutschland findet dies Ausdruck in Artikel- 3 Abs.- 3 Satz- 2 des Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“.

Behinderte Menschen haben nach wie vor Probleme bei der Suche nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Die erschwerte berufliche Eingliederung hat zum einen Gründe, die in der Person liegen können, wie gesundheitliche Einschränkungen oder eine lange Arbeitslosigkeit. Zum anderen spielen aber auch der schwache Arbeitsmarkt oder betriebliche Bedingungen, wie das Fehlen behindertenspezifischer Arbeitsplätze oder Informationsdefizite, eine Rolle.

Es gibt viele Menschen die aus WfbMs heraus in sogenannte Integrationsprojekte oder sogar auf den 1. Arbeitsmarkt wechseln könnten, wenn weniger Vorurteile bestehen würden (besonderer Kündigungsschutz, Zusatzurlaub...) und die Strukturen für die Menschen mit einer Behinderung gegeben wären. Die Erfahrung hat gezeigt, dass meist nur geringe Anpassungen vorgenommen werden müssen, um Menschen trotz ihrer Behinderung in die einzelnen Arbeitsabläufe zu integrieren. So würden viele Unternehmen die gesetzliche Quote erfüllen, was heute leider nicht der Fall ist. Die Firmen zahlen lieber die Ausgleichsabgabe. Sonst hätten wir nicht so viele schwerbehinderte, arbeitslose Menschen ohne eine Perspektive.

Was sind Ihrer Einschätzung nach die größten Barrieren, damit (schwer-)behinderte Menschen am Arbeitsleben teilnehmen können?

Vorurteile sind immer noch sehr präsent, was die Einstellung eines behinderten Mitarbeiters angeht. Und es ist meist auch die Unwissenheit, die zahlreiche Unternehmen davor zurück schrecken lässt einen behinderten Menschen einzustellen. Theoretisch stehen zahlreiche Fördermaßnahmen und Betreuungsangebote zur Verfügung. In der Praxis sind auch viele Unternehmen einfach nicht behinderten freundlich gebaut, was den Aufwand dazu noch erschwert, jemanden z.B. in einem Rollstuhl einzustellen.

Wird „Arbeit mit Behinderung“ ausreichend politisch gefördert und thematisiert? Was könnte noch getan werden, um diese Menschen besser in die Arbeitswelt zu integrieren?

Es wurden viele politische Vorgaben getroffen um einen Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt zu intergieren. Doch leider sieht die Realität meist anders aus. Die aktuelle Arbeitslosenquote liegt laut der Bundesagentur für Arbeit bei ca. 15%. Es gibt immer noch zu viele arbeitslose Menschen mit einer Behinderung ohne Perspektive. Hier wäre es hilfreicher, wenn Bundesländer übergreifend, weniger Bürokratie und weniger strenge und individuelle Regelungen bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung existieren würden. Sowie die IFDs mehr Firmen von dem Potenzial der Menschen mit Behinderung überzeugen könnten und bei der Umsetzung unterstützend zur Seite stehen würden.

„Die zentrale Idee der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Inklusion. Sie bedeutet, dass Menschen mit und ohne Behinderungen von Anfang an gemeinsam in allen Lebensbereichen selbstbestimmt leben und zusammen-leben. Inklusion ist ein permanenter Prozess, der nicht nur von der Bundesregierung vorangetrieben wird, sondern von allen Mitgliedern der Gesellschaft gestaltet werden muss. Sie geschieht nicht einheitlicheren und für jeden klareren Regelungen. von selbst und nicht einseitig, sie muss von allen gelebt und geleistet werden.“

Gibt es (ausländische) Vorbilder, die eine gute Integration behinderter Menschen in das Berufsleben gemeistert haben?

Leider, ist uns zum heutigen Zeitpunkt kein Unternehmen in dieser Konstellation bekannt. Wir würden uns aber sehr darüber freuen, wenn andere Länder unser soziales Konzept in ihr Land integrieren und Menschen mit Behinderung eine zukunftsorientierte Perspektive bieten.

Bitte berichten Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung: Inwiefern ist die Arbeit mit behinderten Menschen einen Bereicherung für den (Arbeits-)alltag?

Bei uns steht der Mensch mit seinen Fähigkeiten, und nicht mit seiner Behinderung im Vordergrund. Unsere Idee ist es, schwerbehinderten Menschen ihre Selbstbestimmung und eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Wir haben unser Unternehmen entsprechend ausgestattet, dass sich die Mitarbeiter vollends auf ihre Stärken konzentrieren können. Und dies nicht ausschließlich im Kreis von anderen Menschen mit Behinderung sondern gemeinsam auf Augenhöhe mit den nicht- behinderten Mitmenschen. Wir wollen das Vorhaben langfristig und stabil aufbauen. Wir haben Vertriebsmitarbeiter die auf Grund einer schweren Gehbehinderung im Außendienst tätig sind, andere im kaufmännischen Bereich oder im Lager.

Viele Menschen mit Behinderung stehen sich oft selbst im weg, da sie unter schwachen Selbstwertgefühl oder falscher Einschätzung der eigenen Fähigkeiten leiden. Wir versuchen auf alle besonderen Bedürfnisse bestmöglich einzugehen und stellen die nötige Infrastruktur bereit. Unsern Mitarbeiten mit einem besonderen Betreuungsaufwand steht immer ein Betriebssozialarbeiter zur Seite. Somit ist eine Rund- um Betreuung in unserem Unternehmen gegeben.

Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen auf dem sog. 1. Arbeitsmarkt und keine WfbM. Dies bedeutet den Mitarbeitern sehr viel. Sie wollen keine Sonderrollen, sie wollen behandelt werden wie alle anderen Menschen auch. Dies ist unser Grundsatz. Für uns ist es völlig normal zusammen zu arbeiten und keiner fällt im Alltag auf – so sollte es auch in unserer Gesellschaft sein. MiBs sind in der Gesellschaft zu unbekannt, haben zu viele Sonderrollen die sie aus der Masse heben. Würde die Gesellschaft mehr MiBs im Alltag (er-)kennen würde es meiner Meinung nach weniger Hürden und Barrieren im Kopf geben.

AfB ist mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2012 ausgezeichnet („Deutschlands nachhaltigste Zukunftsstrategien (KMU))“. Was bedeutet dieser Preis für Sie und wozu spornt er an?

Die Auszeichnung unterstützt unser Konzept und zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das unsere Ziele und die Richtung in die wir uns bewegen, von der Gesellschaft wahrgenommen wird und uns als soziales und sogleich Wirtschaftsunternehmen stärkt. Wir wünschen uns natürlich, das viele Firmen diesem Weg folgen und Bewusst an die Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen denken.

Die Vision der AfB ist es, in den nächsten Jahren 500 Arbeitsplätze für Menschen mit einem Handicap zu schaffen. Dafür sind wir immer auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern, die uns mit ihrer „nicht mehr benötigten“ IT Hardware unterstützen.




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