Grüne Wirtschaft

Bewusster Umgang mit Ressourcen ist der Schlüssel

"Vielen Verbrauchern ist nicht bewusst, dass ihre Imagebroschüre eben noch ein Baum war, und dass konventionelle Druckfarben den knappen Rohstoff Erdöl enthalten", so Matthias Simon von der Print Pool GmbH

"Vielen Verbrauchern ist nicht bewusst, dass ihre Imagebroschüre eben noch ein Baum war, und dass konventionelle Druckfarben den knappen Rohstoff Erdöl enthalten", so Matthias Simon von der Print Pool GmbH

UHS.de: Herr Simon, Sie sind Geschäftsführer von print-pool.com, einer FSC-zertifizierten Umwelt freundlichen Druckerei, die mit dem Blauen Engel ausgezeichnet wurde. Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von "normalen" Druckereien?

MATTHIAS SIMON: Bewusster Umgang mit Ressourcen ist der Schlüssel: Transparenz in der Materialbeschaffung angefangen von FSC-zertifizierten Produktionsketten bis zur Verwendung von mineralölfreien Biodruckfarben und einem isopropylalkoholfreien Druckprozess. Vielen Verbrauchern ist nicht bewusst, dass ihre Imagebroschüre eben noch ein Baum war, und dass konventionelle Druckfarben den knappen Rohstoff Erdöl enthalten. Der Einsatz von Recycling- vor Frischfaserpapieren und Strom aus regenerativen Quellen ist bei uns Herzensangelegenheit. Das fertige Produkt unterscheidet sich vom konventionell produzierten qualitativ – entgegen allen Vorurteilen – nicht. Um das zu belegen, haben wir ein aufwendiges Papiermusterbuch aufgelegt, das Interessenten kostenlos unter http://www.print-pool.com/de/bestellung/produktkonfiguration?fp_id=EP_Musterbuch bestellen können. Das Musterbuch zeigt an 27 umweltfreundlichen Papieren auf 50 Druckflächen aus der mineralölfreien Bioskala das Farbverhalten und die Farbstabilität auf unterschiedlichen Oberflächen.

Welchen beruflichen Hintergrund haben Sie und wie entstand die Idee, eine umweltfreundliche Druckerei zu gründen?

Ich selbst bin gelernter Offsetdrucker, war u.a. Instruktor für Heidelberger Druckmaschinen, habe dann Marketingkaufmann studiert, und bin seit 1996 Geschäftsführer der Print Pool GmbH. Die Idee, einen ökologisch sensibilisierten Weg einzuschlagen, ist aus dem Materialstudium heraus entstanden. 2004 stellte uns ein Papiervertreter uns ein neues Material vor: Papiere aus Eukalyptusfasern, die aus zertifiziertem Anbau stammten. Wir waren begeistert und stellten die Papiere auf unserer Webseite vor. Anderntags gingen bereits zahlreiche Anfragen ein – unter anderem auch aus Frankreich. Das war die Initialzündung. Die Schwierigkeit war und ist die eindeutige Differenzierung zur konventionellen Druckerei. Anfangs hatten wir den Begriff „Öko-Druckerei“ in der Subline. Das wurde aber sehr schnell wieder verworfen, weil es falsch bei den Kunden und Kundinnen ankam. Eventuell waren die 80-er noch nicht weit genug entfernt: Mit Öko-Druckerei assoziierte man eine Art Fortsetzung alternativer Lebenskultur auf Druckerei-Ebene: VW Bus, lila Latzhosen, Anti-AKW-Sticker usw. Fragen von der Art „Kann ich meine Visitenkarten jetzt essen, oder was?” waren zwar ganz unterhaltsam, zeigten aber, dass wir diesen Assoziationsraum verlassen müssen. Der Grundsatz nachhaltiger Medienproduktion wurde zu keiner Zeit von uns in Frage gestellt. Das Problem war das „Branding”, sprich: Markendesign und –kommunikation. Darum begaben wir uns dann 2009 gemeinsam mit dem Wiesbadener Designbüro Zwölfton Design in einen umfassenden CI-Prozess, in dem Leitbild, Erscheinungsbild, Produktpalette, Kommunikationskultur von Print Pool intensiv hinterfragt und regelrecht durchgeknetet wurden. Motto: „Ökologie ist echte new economy.” Ziel: „Wir sind eine ökologische Druckerei des 21. Jahrhunderts”. Dieser Prozess hatte mit dem Website-Relaunch im Frühjahr 2012 seinen perfekten Höhepunkt. Dass wir gerade erst – eineinhalb Jahre nach dem Relaunch, als Green Brand ausgezeichnet wurden – bestätigt im nachhinein sowohl unsere Analyse wie auch das unbedingte Vertrauen in die Zukunft ökologischer Produktion.

Wie weitreichend ist Ihr Service, können Unternehmen bei Ihnen "nur" Druckaufträge ordern oder entwickeln Sie auch Werbekampagnen?

Wir sind als Agentur für nachhaltige Medienproduktion Dienstleister und so aufgestellt, dass wir unsere Kunden in allen gestaltungs- und produktionsrelevanten Fragen betreuen – mit echten Menschen am Telefon und an den Screens. Die technische Seite und die Erfahrung in der Produktion ist natürlich unsere Spezialität, d.h. Übernahme offener Daten aus allen gängigen Office- und Grafikprogrammen, Datenaufbereitung und -nachbearbeitung, Bildbearbeitung und Konvertierung in produktionsfähige Daten. Zudem verfügen wir über ein Fotostudio und In-House-Grafiker, so dass wir auch diejenigen Kunden, die nichts weiter als eine Ideenscribble in der Tasche haben, von der Gestaltungskonzeption bis hin zur Kampagne betreuen können – Fotoshootings vor Ort inklusive. Und wenn ein Bäcker seinen Fuhrpark neu foliert haben möchte, stellt uns auch das nicht vor unlösbare Aufgaben…

Welche Druckkapazitäten haben Sie?

Wir produzieren in beliebiger Auflage alles, was sich aus Papier und Karton produzieren lässt: Klebegebundene Broschüren, Broschüren mit Ringösen, Visitenkarten, Geschäftspapiere aller Art, Verpackungen, Präsentationsordner mit 4-fach Abheftmechanik gestanzte Mappen mit eingeklebten Ecken etc. Es gibt nur sehr wenige Objekte, die wir nicht realisieren wollen, wie z.B. Rollenoffset oder Siebdruck. Das sind Fachbereiche, die wir den jeweiligen Spezialisten überlassen. Hier ist uns Kompetenz und Konzentration wichtiger als Bauchladen-Mentalität.

Der Papierverbrauch vieler Unternehmen ist enorm. Ist die komplette Umstellung von normalem Papier auf ressourcenschonende Materialien mit Mehrkosten verbunden und wenn ja, welche prozentualen Unterschiede gibt es hier?

Natürlich gibt es Unterschiede, ob sie einen Container Papier aus China kaufen oder
zertifiziertes Material aus Dänemark. Jede Form einer Zertifizierung ist mit Kosten verbunden. Diese Mehrkosten liegen bei ca. 1 – 3 %. Zur Umstellung von normalen Papieren auf ressourcenschonende Materialien ist eins klar: Diese Prozesse müssen implementiert werden: Bestellprozesse, Logistik etc. Aber Investitionen in diese Prozesse zahlen sich aus. 1. Sie sparen im Verbrauch, wenn der bewusste Umgang mit diesen Ressourcen erst einmal Teil der Unternehmenskultur geworden ist. 2. Sie gewinnen auf der Seite des „symbolischen Kapitals”, d.h. Ihr Unternehmen zeigt soziale Verantwortlichkeit (CSR) und deklariert sie nicht einfach nur. Wir beobachten hier auch eine erhöhte Identifikation auf Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens – denn die sind nicht einfach nur Mitarbeiter, sondern engagierte Menschen, Bürger, Eltern, die ökonomisch-ökologische Entwicklungen mit Interesse und Sensibilität verfolgen.

Bei Ihnen kann man Visitenkarten aus FSC-Mix bestellen, was ist das Besondere an diesen Visitenkarten?

Ästhetisch: Haptik und Weißegrad. Ökologisch: FSC Mix ist unter den gegenwärtigen Bedingungen der Papierproduktion zumindest die zweitbeste Wahl nach Recyclingpapieren. Mindestens 50 Prozent des verarbeiteten Rohstoffes stammt aus nachhaltiger Waldwirtschaft, zudem müssen alle beteiligten verarbeitenden Betriebe die von Land zu Land unterschiedlichen Anforderungen des FSC für die Produktionskette erfüllen. – Obwohl Recyclingpapiere inzwischen ein beeindruckendes Qualitätsniveau hinsichtlich Weiße, Oberflächenbeschaffenheit, Farbaufnahme und Weiterverarbeitung aufweisen, schrecken manche Kunden noch davor zurück. Visitenkarten – wie auch alle weiteren Geschäftsdrucksachen – sind Imageträger der Unternehmen. Da ist das Vertrauen in die Qualität von Recyclingpapieren nicht immer groß genug, auch wenn viele Kunden festen Willens sind, ökologisch sensibel zu produzieren. In diesem Fall bieten die FSC Mix-Papiere eine gute ökologische Kompromisslösung. Wenn Sie Papiere bei der Umsetzung Ihrer Drucksachen wünschen, die sich höchsten Ansprüchen an Bedruck- und Veredelungsmöglichkeiten gewachsen zeigen müssen und trotzdem an Mindeststandards nachhaltiger Produktion festhalten wollen, bilden diese Papiere im Moment die beste Lösung mit Blick auf umweltfreundliches Drucken.

Gibt es Ihrer Meinung nach eine Möglichkeit, nachhaltiges Wirtschaften für Marketing-Zwecke zu nutzen ohne im Green-Washing zu landen?

Die Frage ist vielschichtig und verlangt in der Beantwortung präzise Differenzierungen. Ein Aspekt Ihrer Frage ist: Darf ich nachhaltig wirtschaften und es auf dem Markt kommunizieren. Ich antworte: Ja, ich muss es sogar, sonst erfährt die Kundin nicht, dass es diese oder jene Produkte gibt. Das hat nichts mit Green-Washing zu tun.

Ein weiterer Aspekt Ihrer Frage ist ein kritischer. Dieser Aspekt zielt eher auf – ich erfinde jetzt frei – Aktionen nach der Art: „Auf 100 verkaufte Kästen Brausewasser kommt ein gepflanzter Baum”. Solches Trendsurfen entnervt mich nicht weiter– das wird es immer und in allen möglichen Kontexten geben. Da setze ich auf den gesunden Menschenverstand der Kunden und Konsumenten.

Ein dritter Aspekt zielt – ich nenne es jetzt mal so – auf die „authentische Gesinnung” derer, die nachhaltig wirtschaften. Wenn ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet, um wieder an seine Kunden oder an neue zu kommen und rotgraue Zahlen in tiefschwarze zu verwandeln, dann ist das legitim. Wenn hinreichend viele Menschen aus den Führungsetagen einer Megamarke sich davon überzeugen können, dass sie mittel- oder langfristig erfolgreicher verkaufen werden, wenn sie einem gesellschaftlichen Bedürfnis nach nachhaltiger Produktion oder Produkten nachkommt, dann wird sie über kurz oder lang – ob das nun „authentisch” oder betriebswirtschaftlich motiviert war – nachhaltig produzieren… Wunderbar.

Vor ein paar Monaten wurden Sie mit dem GREEN BRAND Award ausgezeichnet. Welche Kriterien spielten hierbei eine Rolle?

Das Auswahlverfahren für das GREEN BRAND Gütesiegel ist anspruchsvoll: Ökologisch nachhaltige Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen durchlaufen einen dreistufigen Prozess der Nominierung, Validierung und Entscheidung. Die Nominierung erfolgt über eine repräsentative Befragung in der Bevölkerung oder über den Vorschlag durch ein Jury-Mitglied. In der Validierungsphase wird das Unternehmen einer Prüfung mit umfassendem Fragenkatalog und „reality-check” unterzogen. Das letzte Wort hat schließlich eine hochrangig besetzte Jury von Fachleuten. Es galt einen Katalog mit über 50 fragen abzuarbeiten, von der prozentualen Senkung der Umweltbelastungen über die Gebäudeeffizienz, der Co² Bilanz des Unternehmens, bis zum sozialen Engagement und der Mitarbeiterschulung wurde alles aufgelistet und ausgewertet. Österreich macht seit 2011 den Vorreiter in der Auszeichnung von nachhaltigen Marken und Unternehmen. Im November 2013 wurden 36 Marken und 28 deutsche Unternehmen nominiert und ausgezeichnet. Wir sind stolz darauf dass wir dazugehören. Das zeigt uns, dass unsere Strategie, auf eine nachhaltige Produktion zu setzen, absolut richtig ist.


Wie sieht die wirtschaftliche Prognose für Ihre Branche aus und wie werden Sie Ihr Produktportfolio in den nächsten Jahren verändern?

Das ökologische Bewusstsein hat sich in den letzten Jahren nach und nach geändert. Die Kunden fragen nach der Herkunft des Materials und lassen sich im Hinblick auf den Einsatz von Recycling- oder FSC-zertifiziertem Papier von uns beraten. Viele Unternehmer, die selbst umweltfreundliche Produkte herstellen oder vertreiben, achten auf „saubere“ und nachhaltige Aspekte in der Auftragsvergabe. Aber wir haben es mit einer „unsichtbaren Ressource“ zu tun. Das heißt: Papier ist bei der Verarbeitung kein Baum mehr und es gibt fast keine Unterschiede zu konventionellen Drucksachen. Der auffälligste Unterschied ist mitunter der Lösemittelgeruch von billigen Drucken. Bio-Lebensmittel dagegen schmecken besser und sind gesünder. Die dürfen auch mehr kosten. Bei Drucksachen ist das Preisgefüge und auf Seiten der Kunden damit auch das Preisgefühl durch Online-Discounter in den vergangenen zehn Jahren leider durcheinandergeraten: Einerseits sind konventionell erzeugte Standarddrucksachen teilweise absurd günstig geworden – andererseits sind viele Kunden (noch) nicht bereit, Mehrkosten für ökologisch produzierte Drucksachen zu akzeptieren. Wiederum andere Kunden wissen gar nicht, dass es möglich ist, Drucksachen umweltschonend und nachhaltig herzustellen. Wie positionieren wir uns in dieser Situation? Wir setzen weiterhin auf die ökonomisch attraktive Umsetzung ökologischer Printprodukte, auf ein attraktives Preis-Leistungsverhältnis und persönliche Beratung, - ein Service der online nicht möglich ist. Hinzu tritt noch das feature einer extrem hohen Flexibilität in Produktion und Logistik: Freitag Daten zur Aufbereitung, Dienstag sollen die Broschüren in Barcelona auf der Messe ausgeliefert werden! Das machen wir möglich. Das sind unsere Stärken.

Das Portfolio wird ständig bearbeitet und ergänzt. So wird es auch in Zukunft sein.

 

 




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