Politik, Kultur & Wissenschaft

Corporate Social Responsibility

Professor Dr. Lin-Hi ist Inhaber der Juniorprofessur für Corporate Social Responsibility an der Universität Mannheim. Im Interview erzählte er uns wie er zum Thema CSR gekommen ist und woran er aktuell arbeitet.

Professor Dr. Lin-Hi ist Inhaber der Juniorprofessur für Corporate Social Responsibility an der Universität Mannheim. Im Interview erzählte er uns wie er zum Thema CSR gekommen ist und woran er aktuell arbeitet.

25.06.2014 - Bilder: Professor Dr. Lin-Hi

UMWELTHAUPTSTADT.de: Herr Professor Dr. Lin-Hi, Sie sind Inhaber der Juniorprofessur für Corporate Social Responsibility an der Universität Mannheim. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen und was fasziniert Sie daran?

Dr. Lin-Hi: Den ersten Kontakt zum Thema hatte ich während meines BWL-Studiums an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Dort gab es eine Pflichtvorlesung in Unternehmensethik. Ich muss aber zugeben, dass ich dem Thema zunächst sehr skeptisch gegenüberstand und sogar zwei Mal durch die Klausur gefallen bin. Ich habe also länger gebraucht, um mit CSR warm zu werden. Heute fasziniert mich an CSR, dass sich mit der richtigen Strategie Win-Win-Situationen für Unternehmen und Gesellschaft schaffen lassen. Zudem begeistert es mich, mit betriebswirtschaftlicher Logik einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme wie Armut, Klimawandeln oder Ressourcenknappheit leisten zu können.

Womit beschäftigen Sie sich aktuell?

Ich forsche derzeit unter anderem zum Business Case von verantwortlichen Arbeits- und Sozialstandards in Produktionsstätten in asiatischen Schwellen- und Entwicklungsländern. Da der Wettbewerbsdruck für die dort ansässigen Fabriken hoch ist, ist es wichtig, Aussagen darüber treffen zu können, unter welchen Bedingungen die Verbesserung von Standards positive Effekte mit sich bringt. Letztendlich muss es sich für Fabriken lohnen, das Thema CSR umzusetzen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass es zu einem Konflikt zwischen verantwortlichen Standards und der Wettbewerbsfähigkeit von Fabriken kommt. In einer solchen Situation müssten die vorbildlichen Fabriken fürchten, von weniger verantwortlichen Wettbewerbern aus dem Markt gedrängt zu werden. Gemeinsam mit dem chinesischen Textilproduzenten KTC mache ich aktuell eine experimentelle Studie, in der wir unter anderem untersuchen, wie sich CSR-Maßnahmen auf Mitarbeitereinstellungen und Fluktuationsquoten auswirken. Mein Ziel ist es, neue Ansätze zu identifizieren, wie sich CSR unter Wettbewerbsbedingungen nachhaltig in der Praxis verankern lässt.

Einer Ihrer Forschungs-Schwerpunkte liegt auf der Analyse von unternehmerischem Fehlverhalten sowie in der Entwicklung von Ansätzen zur Vermeidung von Unverantwortlichkeiten. Welche sind die schwerwiegensten „Vergehen“ von Unternehmen in Deutschland?

Zu den gravierenden Verfehlungen zählt es, wenn Unternehmen gegen geltendes Recht verstoßen, etwa indem sie Preise absprechen, Märkte manipulieren oder Abfälle illegal entsorgen. Ebenso ist es problematisch, wenn Unternehmen ihrer Verantwortung für Zulieferketten nicht gerecht werden und unter Umständen hierdurch zu Menschenrechtsverletzungen beitragen. Es ist aber anzumerken, dass in der Praxis niemals alles perfekt läuft und es auch bei vorbildlichen Unternehmen zu unverantwortliche Entscheidungen kommen kann. Es ist aber ein gewaltiger Unterschied, ob das Fehlverhalten gewissermaßen ein Unfall ist, der durch eine unglückliche Verkettung von verschiedenen Umständen bedingt wurde, oder ob ein Unternehmen bewusst unverantwortliche Entscheidungen trifft, um sich hierdurch Wettbewerbsvorteile anzueignen.

Wie verantwortungsvoll schätzen Sie die Unternehmenslandschaft in Deutschland ein? Lassen sich hierbei Kategorien bilden, wie bspw. ein Gefälle zwischen KMU und Großkonzernen?

Geht man nach der Eigenauskunft von Unternehmen, so ist verantwortliches Wirtschaften weit verbreitet. Ich kenne auch kein Unternehmen, was von sich behauptet, es würde unverantwortlich agieren. Bei näherer Betrachtung fällt hingegen auf, dass längst nicht alles Gold ist, was glänzt. Bisweilen wird das Thema CSR nur als Marketinginstrument gesehen, nicht aber als Bestandteil der Unternehmensführung. Hier drohen dann CSR-Versprechen und unternehmerischer Alltag auseinanderzufallen. Gleichwohl gibt es aber auch sehr vorbildliche Unternehmen in Deutschland, die verstanden haben, dass eine fundierte CSR-Strategie eine Investition in den zukünftigen Erfolg darstellt. Insgesamt ist die CSR-Leistung von Unternehmen als sehr heterogen zu bezeichnen. Allerdings ist es schwierig, hier Kategorien zu bilden. Sowohl unter Familienunternehmen als auch bei Großkonzernen finden sich gut und schlecht aufgestellte Unternehmen in Bezug auf CSR.

Wie beurteilen Sie die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland für verantwortungsvolles Wirtschaften? Sollte eher ein Anreiz- oder ein Sanktions-System angewendet werden?

Seit 2010 gibt es den von Seiten der Bundesregierung initiierten „Aktionsplan CSR“, der die nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen darstellt. Dies zeigt erst einmal, dass dem Thema von Seiten der Regierung eine gewisse Relevanz zugebilligt wird. Gleichwohl gibt es sicherlich noch Spielraum, wie von politischer Seite verantwortliches Verhalten befördert und Unverantwortlichkeiten unattraktiver gemacht werden können. Ich denke hier etwa an die Bereiche öffentliche Beschaffung oder Investitionskredite. Positive Anreize und Sanktionen können dabei Hand in Hand gehen. Besonders vorbildliches Verhalten wird honoriert, wohingegen Fehlverhalten bestraft wird, etwa durch einen Ausschluss von staatlichen Förderprogrammen.

Welchen Einfluss messen Sie der Konsumentenseite bei und was könnte noch getan werden, um ein größeres Bewusstsein für Konsum von nachhaltigen Unternehmen zu schaffen?

Ludwig von Mises formulierte bereits in den 1940er Jahren: „Die wahren Herrscher im kapitalistischen System der Marktwirtschaft sind die Verbraucher.” Diese Aussage ist heute sicherlich nicht weniger zutreffend als vor 70 Jahren. Allerdings verhält sich der Kunde leider oftmals nicht derart, dass er verantwortliches Verhalten von Unternehmen befördert. Auf der einen Seite verlangt er zwar nach CSR, auf der anderen Seite ist aber der Preis nicht selten das ausschlaggebende Kaufkriterium. Ich spreche hier gerne auch von der Schizophrenie des Konsumenten. Deutlich zeigt sich dies etwa im Textil- und Bekleidungsmarkt. Im Massenmarkt ist kaum ein Kunde bereit, einen kleinen Aufpreis für bessere Arbeitsbedingungen zu zahlen. Leider wissen wir derzeit nur wenig darüber, wie Kunden effektiv dazu bewegt werden können, Nachhaltigkeit in ihrer Kaufentscheidung stärker zu berücksichtigen. Ich bereite derzeit ein Forschungsprojekt vor, das dazu beitragen soll, nachhaltiges Konsumentenverhalten zu befördern.

Inwiefern haben Unternehmen mit einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie einen Wettbewerbsvorteil? Lässt sich dieser anhand von Kennzahlen messen?

Im Umweltbereich lassen sich die Vorteile von Nachhaltigkeit relativ einfach messen, etwa in Form von reduziertem Ressourcenverbrauch. In Zeiten immer knapper werdender Rohstoffe in Verbindung mit steigenden Preisen ist es nicht unwahrscheinlich, dass hieraus langfristig ein Wettbewerbsvorteil erwächst. Schwieriger ist es bei der sozialen Dimension. So lässt sich beispielsweise die Verbesserung von Arbeits- und Sozialstandards nicht unmittelbar in monetäre Größen überführen. Gleichwohl wissen wir, dass derartige Standards sich etwa auf Mitarbeitereinstellungen wie Zufriedenheit oder Commitment auswirken. Ich gehe zudem davon aus, dass die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens zunehmend wichtiger für die Arbeitgeberattraktivität wird. Der demographische Wandel bringt es mit sich, dass immer mehr Mitarbeiter sich ihre Arbeitgeber aussuchen können. Es gibt Hinweise darauf, dass Unternehmen mit einer schlechten Nachhaltigkeitsleistung Schwierigkeiten bekommen, die besten Mitarbeiter für sich zu gewinnen.

Viele Unternehmen versenden mittlerweile Nachhaltigkeitsberichte, um ihr Engagement zu kommunizieren. Welchen Wert messen Sie solchen Berichten bei und wie könnten diese Berichte noch aussagekräftiger werden, bzw. auch für Verbraucher interessant werden?

Die Qualität von Nachhaltigkeitsberichten ist sehr unterschiedlich. Manchmal haben sie den Charakter von Hochglanzbroschüren, die darauf ausgelegt sind, das Unternehmen im besten Licht erstrahlen zu lassen. D.h. aus den Berichten lässt sich nicht unmittelbar auf die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens schließen. Mich interessieren daher nicht die schönen Leuchtturmprojekte, sondern die Bereiche, in denen es typischerweise Probleme gibt. Ich möchte wissen, was das Unternehmen tut, um Fehlverhalten entgegenzuwirken. Auch interessiert mich, ob ein Unternehmen in kritischen Bereichen Fortschritte macht und welche (realistischen) Ziele langfristig erreicht werden sollen. Ein Problem hierbei ist allerdings, dass es in vielen Bereichen an Transparenz mangelt. Zum Thema Nachhaltigkeitsbericht und Konsument: Ich glaube generell nicht, dass Berichte das richtige Medium für Konsumenten sind. Der durchschnittliche Konsument möchte sich, sofern er interessiert ist, möglichst einfach und schnell ein Bild über die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens machen. Ein Nachhaltigkeitsbericht ist hierfür überdimensioniert.

Viele Verbraucher fühlen sich aufgrund der Vielzahl von Nachhaltigkeits-Siegeln bereits heute schon überfordert und können kaum nachvollziehen, was dahinter wirklich steckt. Haben Sie eventuell einen Ansatz, wie hier Klarheit und Vereinfachung geschaffen werden könnte?

Es ist in der Tat für den Konsumenten nicht einfach, im „Siegel-Dschungel“ den Überblick zu behalten. Ein Konsument, der Nachhaltigkeitsaspekte beim Einkauf berücksichtigen möchte, muss ziemlich viel Zeit in Recherchen investieren, um herauszufinden, was hinter einzelnen Siegeln steckt. Hinzu kommt die Frage, ob Siegel immer auch das einhalten, was sie versprechen bzw. suggerieren. Es gibt hier durchaus einige schwarze Schafe bei den Siegelanbietern. Ich empfehle Konsumenten daher, Siegeln nicht blind zu vertrauen. Konsumenten sollten sich immer auch das Unternehmen anschauen, welches das gesiegelte Produkt anbietet.

Verfolgen Sie mit Ihrer Inhaberschaft des Lehrstuhls für CSR bestimmte Ziele?

Ich würde mich gerne überflüssig machen. CSR hat etwas von der „guten Kinderstube“. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Unternehmen sich fair und verantwortlich verhalten. Im Idealfall braucht man keinen Professor für CSR, der Managern deutlich macht, dass man Kunden nicht übers Ohr haut, die Umwelt nicht verpestet und Mitarbeiter nicht ausbeutet.




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