Politik, Kultur & Wissenschaft

Erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement

"Wichtig für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement ist die Identifikation der Themen, die für Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft wesentlich sind", so Cornelia Reimoser von der Fraunhofer-Gesellschaft.

"Wichtig für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement ist die Identifikation der Themen, die für Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft wesentlich sind", so Cornelia Reimoser von der Fraunhofer-Gesellschaft.

29.06.2015 - Bild: Cornelia Reimoser, Nachhaltigkeitsbeauftragte der Fraunhofer-Gesellschaft und stellvertretende Abteilungsleitung Unternehmensstrategie

UMWELTHAUPTSTADT.de: Frau Reimoser, Frau Wedl, Sie sind in der Abteilung Unternehmensstrategie der Fraunhofer-Gesellschaft für das Thema Nachhaltigkeit zuständig. Was ist Ihr Kerngeschäft und an wen richtet sich Ihr Angebot konkret?

CORNELIA REIMOSER: Das Kerngeschäft der Fraunhofer-Gesellschaft ist die angewandte Forschung für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber. Fraunhofer deckt ein breites Forschungsportfolio ab und ist mit 67 Instituten, über 23 000 Mitarbeitenden und einem jährlichen Forschungsvolumen von rund zwei Milliarden Euro die größte Vertragsforschungseinrichtung Europas.

Die Präsidialabteilung "Unternehmensstrategie" der Zentrale nimmt den Bedarf der Fraunhofer-Gesellschaft an strategischen Veränderungen auf und leitet die erforderlichen Veränderungsprozesse systematisch durch Projekte und Maßnahmen in einer moderierenden und beratenden Funktion ein. Mit dieser Rolle ist auch die Koordination des organisationsweiten Nachhaltigkeitsmanagements verbunden, das in engem Zusammenwirken mit einem eigens dafür eingesetzten Nachhaltigkeitsgremium und den Instituten des Fraunhofer-Netzwerks Nachhaltigkeit erfolgt.

Welches sind aktuell die größten Themen und Herausforderungen, die Sie beschäftigen?

ISABELLA WEDL: Die Fraunhofer-Gesellschaft hat sich einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet. Das betrifft selbstverständlich auch alle strategischen Herausforderungen, vor denen wir aktuell als Organisation stehen – wie zum Beispiel die dynamische Anpassung unseres Forschungsportfolios, die Steigerung von Synergieeffekten in der Organisation, die Förderung des Technologietransfers in unseren verschiedenen Verwertungspfaden oder eine zukünftig stärkerer Beteiligung der Gesellschaft.

Allerdings ist die Fragestellung nach geeigneten Messgrößen, die den Beitrag sowie die Fortschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung beschreiben und ein integriertes Monitoring ermöglichen, gerade für Forschungseinrichtungen noch nicht beantwortet. Wie lässt sich beispielsweise der gesellschaftliche bzw. volkswirtschaftliche Impakt von anwendungsorientierter Forschung darstellen? Und lässt sich dieser Impakt bereits im Innovationsprozess beeinflussen? Das sind Fragestellungen, die uns aktuell beschäftigen.

Bereits 2009 erfolgte der Zusammenschluss von 20 Fraunhofer-Instituten und -Einrichtungen zum Netzwerk Nachhaltigkeit. Welche Erfolge konnten dadurch erzielt werden?

CR: Das Netzwerk Nachhaltigkeit, dessen Gründung bottom up durch mehrere Institute erfolgte, hat als Impulsgeber für das Nachhaltigkeitsmanagement der Fraunhofer-Gesellschaft eine hohe Bedeutung. Das Fraunhofer-Netzwerk Nachhaltigkeit hat es sich zum Ziel gesetzt, die Forschung stärker am Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung auszurichten und dieses Thema innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft sichtbar zu profilieren. An den Instituten wird Nachhaltigkeit ja tatsächlich umgesetzt – ob es um Maßnahmen zur besseren "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" und "Mobilitätskonzepte am Standort" oder um Forschungsprojekte mit Beiträgen zu den gesellschaftlichen Bedürfnissen wie zum Beispiel "bezahlbare Gesundheit", "lebenswerte und zukunftsfähige Städte" oder um "zukunftsfähige Produktionsverfahren" unter den Herausforderungen wie Rohstoffknappheit, Konkurrenzdruck und Fachkräftemangel geht.

Engagierte Institute haben lange vor der Gesamtorganisation eigene Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht und einen wichtigen Anstoß zur Erstellung des ersten Fraunhofer-Nachhaltigkeitsberichts gegeben.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung WKI in Braunschweig entwickelten einen umweltfreundlichen Schaumstoff aus Holz. Sie erhielten dafür den GreenTec Award 2015 in der Kategorie Bauen und Wohnen. Wie kann dieses Forschungsergebnis in der Praxis genutzt werden?

Holzschaum stellt eine vielversprechende Alternative zu synthetischen Polymerschaumstoffen dar und eignet sich für die vielfältigsten Anwendungen; beispielsweise für Verpackungen, als Leichtbauplatte oder Dämmmaterial. Der Verbraucher kann die Verpackung aus geschäumtem Holz einfach und umweltfreundlich über das Altpapier entsorgen. Als leichte Mittelschicht in Sandwichplatten für Möbel oder in ganzen Wandelementen, wie sie unter anderem im Messebau eingesetzt werden, sind Holzschäume vielversprechende Kandidaten. Besonderes Potenzial haben sie als druckfestes, natürliches Dämmmaterial für Gebäudefassaden oder Dächer. Die ökologischen Vorteile sowie die sehr positiven mechanischen und wärmedämmenden Eigenschaften des Materials versprechen hohe Chancen für den Einsatz als moderner, klimaaktiver Dämmstoff - denn es besteht zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen.

Das Fraunhofer WKI beschäftigt sich intensiv mit der Weiterentwicklung der Schäume, so dass dieser einzigartige Werkstoff in absehbarer Zeit industriell gefertigt werden kann und am Markt verfügbar sein dürfte.

Aus welcher Motivation heraus sollte das Thema Nachhaltigkeit in das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens implementiert werden?

Nachhaltigkeit war immer ein zutiefst wirtschaftlich relevantes Thema – mit Blick auf langfristigen unternehmerischen Erfolg unter Berücksichtigung der Regenerationsfähigkeit der benötigten Ressourcen. Daran hat sich wenig geändert: ein Unternehmen muss schon alleine aus Kostengründen wirtschaftlich mit seinen Ressourcen umgehen. Das gilt natürlich in einer Wissenschaftsorganisation ganz besonders für die Ressource "Mitarbeiter". Denn gerade in der Forschung sind Kreativität und Engagement unabdingbar für Erfolg. Aber letztendlich ist auch jedes andere Unternehmen auf gut ausgebildete und kreative Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angewiesen und möchte am Arbeitsmarkt im Wettbewerb um die besten Köpfe als nachhaltiges Unternehmen wahrgenommen werden. In dem Bereich der "sozialen" Handlungsfelder erzeugt das Engagement des Arbeitgebers - wenn es zum Beispiel um den Erhalt der Leistungsfähigkeit der älteren Arbeitnehmer oder um die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht - auch einen ökonomischen Nutzen, also eine win-win-Situation.

Als Anbieter von Forschungsdienstleistungen ist die Implementierung von Nachhaltigkeit auch für Fraunhofer eine Frage der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit. Der Markenkern von "Made in Germany" ist hohe Qualität und wird es auch bleiben. Aber die Kriterien für Qualität sind mittlerweile neu definiert: denn heute gehört unter anderem Ressourceneffizienz und Emissionsneutralität ebenso dazu wie ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Um die Anforderungen unserer Kunden auch weiterhin erfolgreich zu erfüllen, muss daher die "Nachhaltigkeit" der Lösung als selbstverständliches Qualitätsmerkmal integrativ mitgedacht werden.

Auf welche betrieblichen Bereiche schlägt sich eine nachhaltige Ausrichtung besonders nieder?

Die für eine nachhaltige Ausrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft zentralen Bereiche sind insbesondere das Personalmanagement und das Liegenschaftsmanagement, aber natürlich auch unser Governance-Ansatz.

Im Personalmanagement stehen dabei Themen wie Diversity, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Befristungspolitik, Personalführung, Nachwuchsförderung etc. im Vordergrund. Beim Bau und Betrieb von Gebäuden bzw. der Forschungsinfrastruktur liegt der Fokus auf einem effizienten Betrieb. Zum Thema "Governance" beschäftigen wir uns aktuell mit der partizipativen Entwicklung eines neuen Leitbildes, des Weiteren sind Themen wie Compliance, wissenschaftliche Integrität und auch die über rechtliche Vorgaben hinausgehende Wissenschaftsverantwortung zentrale Themen.

Welche Themen, Informationen und Netzwerke sind nötig, um ein Unternehmen nachhaltiger auszurichten?

Wichtig für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement ist die Identifikation der Themen, die für Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft wesentlich sind – daher suchen wir den Austausch mit unseren Anspruchsgruppen, um deren Erwartungen an uns kennenzulernen. Ebenso zentral sind die Ansprüche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Fraunhofer als verantwortlicher Arbeitgeber, der nachhaltiges Handeln am Arbeitsplatz ermöglicht. Selbstverständlich sind gerade für das Querschnittsthema Nachhaltigkeit sowohl interne als auch externe Netzwerke von Bedeutung.

Innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft ist eine Vernetzung zwischen den Instituten, aber auch zwischen verschiedenen Fachabteilungen relevant, um Nachhaltigkeit in vorhandene Strukturen und Prozesse zu implementieren. Parallel dazu ist es nötig, im Außenraum mit Expertenkreisen und Wettbewerbern zu interagieren, um über aktuelle Entwicklungen im Nachhaltigkeitsdiskurs informiert zu sein und das Thema mit anderen Organisationen voranzutreiben.

So kooperieren beispielsweise die Fraunhofer-Gesellschaft mit der Leibniz-Gemeinschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft in dem vom BMBF geförderten Verbundprojekt "Leitfaden Nachhaltigkeitsmanagement für außeruniversitäre Forschungsorganisationen" (LeNa-Projekt), um die Handlungsfelder eines forschungsspezifischen Nachhaltigkeitsmanagements gemeinsam und methodisch fundiert zu entwickeln.

Inwiefern wird eine nachhaltige Ausrichtung von den Endverbrauchern honoriert und lässt sich das messen?

Ein signifikanter Unterschied zu anderen Unternehmen liegt darin, dass sich die Auswirkungen von Forschungsleistungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft mit deutlich zeitlicher Verzögerung zeigen – nach Umsetzung der Forschungsergebnisse durch unsere Auftraggeber. Unsere Aufgabe ist es, kreativ Technik zu gestalten, Verfahren zu verbessern und neue Wege zu eröffnen – immer verbunden mit dem Ziel, für den Endverbraucher in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Kommunikation, Mobilität, Energie und Umwelt eine Verbesserung zu erzielen. Diese Verbesserungen lassen sich auch in bestimmten Bereichen quantifizieren – wenn es zum Beispiel um eine energieeffiziente Produktion, eine besonders ökonomische medizintechnische Innovation oder um die Substitution eines schlecht verfügbaren Rohstoffes geht. Der Endverbraucher im Sinne eines Nutzers oder Konsumenten verbindet die Verbesserung natürlich zunächst mit dem Anbieter des Produkts – aber das entspricht unserer Mission: wir möchten zur Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden beitragen. Diesen Erfolg jedoch messbar zu machen, bleibt derzeit eine Herausforderung.

Aus welchen Großthemen besteht ein optimales Nachhaltigkeitsmanagement?

Ein optimales Nachhaltigkeitsmanagement orientiert sich aus unserer Sicht an den wesentlichen Handlungsfeldern der jeweiligen Organisation; zentrale Themen können für jedes Unternehmen unterschiedlich ausfallen. Für die Fraunhofer-Gesellschaft sind übergreifende Fokusthemen unter anderem die problem- und bedarfsorientierte Weiterentwicklung des Forschungsportfolios, die Analyse des gesellschaftlichen Impacts unserer Forschung, die fortwährende Sensibilisierung der Wissenschaftler/innen bezüglich ihrer ethischen Verantwortung oder die Einbindung der Gesellschaft etc. Weitere klassische Großthemen adressieren natürlich das interne Energiemanagement und die Arbeitsbedingungen.

Verraten Sie uns, welche Forschungsprojekte als nächstes auf Ihrer Agenda stehen?

Außer dem aktuellen Forschungsvorhaben zum Nachhaltigkeitsmanagement in außeruniversitären Forschungsorganisationen ("LeNa-Projekt") sind wir zurzeit nicht in weiteren Forschungsprojekten tätig, das entspricht auch nicht unseren Kernaufgaben in der Unternehmensstrategie. Ausnahmen gibt es immer dann, wenn wir Fragestellungen aufwerfen, deren Beantwortung einer wissenschaftlich fundierten Bearbeitung bedürfen.

Stichwort Unternehmensstandort Deutschland: An welchen Stellschrauben würden Sie gerne drehen, um die Rahmenbedingungen für Ihre Branche zu verbessern?

Angesichts der Themenbreite der nachhaltigkeitsrelevanten Felder wie folgt beispielhaft einige Stellschrauben:

Allgemein anerkannte Exzellenzkriterien für Transdisziplinäre Forschung

Entsprechende politische Rahmenbedingungen, die eine stärkere Nachfrage der Wirtschaft nach Nachhaltigkeitslösungen zur Folge haben

Orientierung des deutschen Bildungssystems an Bildung für Nachhaltige Entwicklung, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu prägen

Ihr Nachhaltigkeitsleitspruch lautet?

Große Visionen, kleine Schritte, immer gemeinsam vorwärts streben und von Kritikern nicht entmutigen lassen sondern die "Sache" mit Freude, Kreativität, Professionalität und Ernsthaftigkeit vertreten.




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