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Im Interview: Dr. Matthias Miersch (SPD), Mitglied des deutschen Bundestages (MdB)

Dr. Matthias Miersch über das Umweltprogramm der SPD zur kommenden Bundestagswahl

Dr. Matthias Miersch über das Umweltprogramm der SPD zur kommenden Bundestagswahl

Das Interview führte Annkathrin Meenken, Bildquellen: © Markus Hammes (links), © Peter Himsel, mit Joachim Gauck

UMWELTHAUPTSTADT.de: Herr Miersch, Sie sind umweltpolitischer Sprecher der SPD.  Welche  Schwerpunkte  wird die SPD im Bereich Umweltpolitik zur kommenden Bundestagswahl setzen?

Dr. Matthias Miersch: Die Sozialdemokratie steht seit ihrer Gründung für eine sozial gerechte Politik, die gesellschaftliche Lasten ausgewogen verteilt. Gerade in der Umweltpolitik wird zunehmend deutlich, dass Kosten ungerecht verteilt werden und schwache Schultern mehr zu tragen haben, als starke. Die SPD wird sich daher nicht nur dafür einsetzen, die Energiewende endlich auf das richtige Gleis zu setzen, sondern wir werden auch genau darauf achten, dass Energiepolitik in Deutschland nicht auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher abgehandelt wird. Die ausufernden Befreiungstatbestände der schwarz-gelben Koalition, durch die weite Teile der Industrie von einer Beteiligung an den Kosten der Energiewende ausgenommen werden, sind nur ein Teil dieses großen Mosaiks. Viel zu häufig wird von Schwarz-Gelb der einfache Weg der Umlage von Kosten auf die Bürgerinnen und Bürger gewählt, während die Gewinne durch neue Formen der Energieerzeugung bei Privaten verbleiben. Wir müssen die gewaltige Aufgabe der Energiewende also viel besser strukturieren, als dies bisher der Fall ist, um nicht durch ungerechte Lastenverteilung den gesellschaftlichen Rückhalt zu verlieren. Gerade sozial Schwachen Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen von steigenden Energiepreisen entlastet werden. Mit steuerbefreiten Stromtarifen haben wir dafür bereits erste Vorschläge unterbreitet.

Mit einem „Masterplan“  will die SPD in 37 Jahren die Energieversorgung komplett durch erneuerbare Energien gewährleisten. Mit welchen Ansätzen wollen Sie arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen?

Dr. Matthias Miersch: Seit mehr als drei Jahren muss Deutschland mit ansehen, wie die von Rot-Grün vor mehr als einem Jahrzehnt eingeleitete Energiewende unterminiert wird. Auch wenn die absurde Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke nun wieder vom Tisch ist, haben uns die chaotischen Zustände in der Energiepolitik bereits Jahre des Fortschritts gekostet. Heute wird am internen Streit von CDU/CSU und FDP immer noch deutlich, dass das Mammutprojekt Energiewende nur als gut koordinierte und institutionell verankerte Aufgabe zu bewältigen ist. Seit Jahren fordert die SPD an dieser Stelle einen Sonderausschuss für die Energiewende im Deutschen Bundestag und einen entsprechenden Konterpart dazu in der Bundesregierung. Gegenwärtig legen sich Umweltministerium, Wirtschaftsministerium und Kanzleramt gegenseitig lahm und außer deklaratorischen Konzeptpapieren gibt es keine politische Steuerung mehr. Die SPD hat bereits vor zwei Jahren ein umfangreiches Energiekonzept vorgestellt, mit dem eine Versorgung aus 100% erneuerbaren Energien im Strombereich bis 2050 erreicht werden kann. Auf Basis einer aktualisierten Version dieses Programms wollen wir so schnell wie möglich klare Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung schaffen und die Energiewende zur Chefsache machen. Unser Vorteil ist an dieser Stelle natürlich, dass sowohl die SPD als auch ihr möglicher Koalitionspartner Bündnis90/Die Grünen im Gegensatz zu Schwarz-Gelb auch inhaltlich hinter erneuerbaren Energien stehen.

Wenn Deutschland aus der Kernenergie aussteigt, wird weiterhin Atommüll aus anderen EU - Ländern in Deutschland eingelagert? Wenn ja, warum und wo?

Dr. Matthias Miersch: Deutschland steht trotz des Atomausstiegs natürlich zu seinen internationalen Verpflichtungen. Und zu diesen Verpflichtungen gehört auch, den von Deutschland aus in die Aufbereitungsanlagen im Ausland transportierten Atommüll zurückzunehmen. Abgebrannte Brennstäbe aus den letzten Jahrzehnten werden nach der Behandlung noch für einige Zeit in die Bundesrepublik zurückgeliefert werden. Dafür stehen aktuell nur die eingerichteten Zwischenlager zur Verfügung, unter denen natürlich auch das Zwischenlager in Gorleben ist.

Sie sind Mitglied des Ausschusses zu Gorleben. Welche Fortschritte wurden dort in der Forschung zur Eignung als Endlager gemacht?

Dr. Matthias Miersch: Der Untersuchungsausschuss Gorleben wird demnächst seinen Abschlussbericht veröffentlichen. Ohne hier vorgreifen zu wollen ist aus meiner Sicht schon heute klar, dass Gorleben aus rein politischen Motiven zum Endlagerstandort gemacht wurde. Selbst Bundeskanzlerin Merkel hat während ihrer Vernehmung als Zeugin im Ausschuss deutlich gemacht, dass sie bis heute nicht versteht, warum Gorleben nicht erstmal zu Ende erkundet wird, bevor man nach alternativen Standorten sucht. Auch nach Jahrzehnten der Mauscheleien scheint die Kanzlerin kein Interesse an einer ehrlichen und ergebnisoffenen Endlagersuche zu haben.

Wie sieht die Zukunft dieses Standortes aus und gibt es Alternativen?

Dr. Matthias Miersch: Aus meiner Sicht ist der Standort Gorleben tot. Er ist politisch verbrannt und wird völlig unabhängig von weiteren Erkundungen nie den Rückhalt in der deutschen Bevölkerung finden der nötig wäre, um diesen jahrzehntelang andauernden Konflikt lösen zu können. Gleichzeitig hat die Arbeit des Untersuchungsausschuss aber auch deutlich gemacht, dass wesentlich geologische Risiken in Gorleben bestehen, die bisher in den offiziellen Gutachten nicht genug Berücksichtigung gefunden haben. Aus beiden Gründen muss es nun unser Ziel sein, ein transparentes Suchverfahren und breiter Beteiligung der Öffentlichkeit auf den Weg zu bringen.

Die SPD fordert eine Beschränkung der Massentierhaltung für eine umwelt- und tieregerechtere Haltung. Wie sollen die Regelungen vor dem Hintergrund des ständig steigenden Fleischkonsums aussehen?

Dr. Matthias Miersch: Tierhaltung muss artgerecht ausgestaltet werden. Das sind wir nicht nur den Tieren schuldig, sondern auch die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren von gesunder Tierhaltung, in der wesentlich weniger belastende Medikamente und Futterzusätze gegeben werden müssen. Dazu muss beispielsweise der §35 des Baugesetzbuches angepasst werden, um den Wildwuchs industrieller Tierhaltungsanlagen einzudämmen. Es geht insgesamt um einen guten Kompromiss zwischen vertretbaren Haltungsbedingungen und erschwinglichen Nahrungsmittelpreisen.

Der Import von Eiweißfuttermitteln für die Nutztierhaltung, vorrangig Sojabohnen und Sojaextrationsschrot aus genverändertem Anbau in Südamerika ist für Bauern rentabler, als der regionale Anbau eigener Leguminosen (Hülsenfrüchte), woraus sich weitreichende soziale- und Umweltprobleme ergeben. Wie geht die SPD mit diesem Thema um? Gibt es Maßnahmen zu einer Verbesserung dieser Situation?

Dr. Matthias Miersch: Die SPD ist sich dieser Problematik bewusst und versucht deshalb schon seit längerem, den heimischen Anbau von Eiweißpflanzen zu stärken und für Erzeuger wirtschaftlicher zu gestalten. Da diese Steuerung aber hauptsächlich über die Agrarförderprogramme der jeweiligen Bundesländer abläuft, ist es notwendig, vorrangig dort fortschrittliche Regelungen zu treffen. Gute Beispiele dafür liefern die Ideen aus Thüringen aber besonders auch der jüngst abgeschlossene Koalitionsvertrag in Niedersachsen, in dem sich die SPD dafür ausspricht, mit einer Eiweiß-Strategie die aus umwelt- und entwicklungspolitischer Sicht problematischen Importe zu verringern und die heimische Vielfalt zu erhöhen.




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