Gesellschaft

Kolumne: Melanie Vogel Initiatorin der WOMEN&WORK

„Unternehmen Familie“ Vereinbarkeit als häusliche Management-Aufgabe

„Unternehmen Familie“ Vereinbarkeit als häusliche Management-Aufgabe

30. Oktober 2013

Berufstätige Eltern haben sie alle schon gehört, das leise geflüsterte „Die armen Kinder...“, die laut ausgesprochene Frage „Warum tut ihr euch den Stress an, er alleine verdient doch genug, da kannst du doch zu Hause bleiben“ oder der vermeintlich freundliche  Hinweis, dass Kinder in Ganztagsbetreuungen prädestiniert dafür seien, später auf die schiefe Bahn zu geraten.

Seltsamerweise gilt das gesellschaftliche Stirnrunzeln hauptsächlich den arbeitenden Müttern – selten den arbeitenden Vätern. Jeder glaubt, dass Kinder berufstätiger Mütter benachteiligt sind, niemand fragt, wie es den Vätern geht, wenn sie ihre Kinder immer nur abends oder am Wochenende sehen, weil die Unternehmen von der Präsenzkultur einer 80-Stunden-Woche auch im Zeitalter von Skype, Online-Konferenzen, eMail und Internet partout nicht abweichen.

Für viele Außenstehende ist es schwer zu begreifen, dass das Familienleben bei berufstätigen Eltern einem fein justiertem Schweizer Uhrwerk gleicht. Und egal wie gut die angebotene Kinderbetreuung in der näheren Umgebung oder im Unternehmen ist, die letztendliche Verantwortung der Vereinbarkeit lastet auf den Schultern der Eltern.

Vereinbarkeit wird zu einer privaten Management-Aufgabe – und so wie eine gute Unternehmensführung die Mitarbeiter motivieren und zu Höchstleistungen anstacheln kann, so funktioniert auch das häusliche Leben, wenn die führungsverantwortlichen Eltern eine gemeinsamen Visionen entwickeln und in der Kommunikation nach außen eine einheitliche Sprache sprechen. Erst wenn das Management versagt, läuft auch das „Unternehmen Familie“ Gefahr, in die Schieflage zu geraten.

Ach, Du armes Deutschland!
Bereits in den 90-er Jahren genügte ein weitsichtiger Blick in die Statistik, um erahnen zu können, dass Deutschland zukünftig mindestens zwei großen Herausforderungen entgegen sehen wird: dem demografischen Wandel und einem daraus resultierenden strukturellen Fachkräftemangel. Heute nun wird auch den Phlegmatischsten klar, dass die Zukunft in der Gegenwart angekommen ist und das vorhandene (männliche) Fachkräfteangebot schon jetzt nicht mehr ausreicht, die offenen Stellen zu besetzen.
Ein völlig logischer und längst überfälliger Lösungsansatz ist, Frauen stärker in das Berufsleben zu integrieren. Der Schrei nach mehr Frauen in Führungspositionen und nach einer Quote wird – zu Recht – lauter, gilt es doch jahrzehntelange verkrustete Management-Strukturen, Präsenzrituale und hierarchische Machtspielchen in den Unternehmen zu durchbrechen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf überhaupt erst ermöglichen zu können.

Berufstätige Eltern haben schmerzhaft erfahren müssen, dass die Vereinbarkeitsdebatten zwar geführt werden, in der realistischen Umsetzung aber deutlich kranken. Das fängt an bei Wartelisten in Kindergärten und Öffnungszeiten, die einem 9-to-5-Job gerecht werden aber schon bei Gleitzeit, Teilzeit oder Wochenenddiensten nicht mehr praktikabel sind. Das geht weiter über eingeschränkt verfügbare Hortmöglichkeiten, Kinderferienbetreuung für Kids erst ab fünf oder sechs Jahren und wenn das Unternehmen keine Unterstützung bietet, oder die Gehälter beider Eltern nicht ausreichen, eine externe Kinderbetreuung zu engagieren, wird der Traum von Vereinbarkeit ganz schnell zum realen Alptraum.

Gesalzen mit Unverständnis aus dem engen sozialen Umfeld oder Sticheleien der Kollegen, sollte der Vater sich durchringen Elternzeit zu nehmen oder seine Vollzeitstelle gegen eine Teilzeitbeschäftigung einzutauschen, wächst der Druck auf die Familienmanager erheblich.

Laut OECD hinkt Deutschland in Sachen Familienförderung den meisten Industrienationen nach wie vor hinterher. Tradierte Männer- und Frauenbilder sorgen zusätzlich dafür, dass das innovativ geführte „Unternehmen Familie“, mit zwei gleichberechtigten Managern an der Spitze, viel externe PR betreiben muss, um für Unterstützung in eigener Sache zu werben.

Jedes gute Projekt beginnt mit einem Business-Plan  

Lektion 1 einer jeden Unternehmensgründung lautet: „Erstellen Sie einen Business-Plan.“ Was so einfach klingt, entpuppt sich schnell als erste Bewährungsprobe, wenn es darum geht, die Unternehmensidee auf Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit zu testen, denn sie zwingt die Gründer, die eigenen Motive und Wunschvorstellungen zu hinterfragen und mit dem ein oder anderen Ideal aufzuräumen, weil es sich als nicht realisierbar erweist.

So viel anders sollte im optimalen Fall auch bei einer Familien“gründung“ nicht vorgegangen werden. Die ersten Vorüberlegungen und Vereinbarungen zwischen den „Business-Partnern“ Vater und Mutter bilden das Fundament auf dem das „Unternehmen Familie“ aufbaut.

Bei den Vorüberlegungen sollten folgende Fragen von beiden Partner gemeinsam beantwortet und diskutiert werden:

- Welche eigenen Bedürfnisse werden mit dem Kinderwunsch realisiert?
- Welche Gründe / Welche Motivation gibt es, Beruf und Familie kombinieren zu wollen?
- In welcher Rolle sieht sich die zukünftige Mutter und der zukünftige Vater?
- Wie wird sich die finanzielle Situation ändern, wenn ein Kind da ist?
- Ist der vorhandene Wohnraum groß genug oder wird unter Umständen ein Umzug notwendig?
- Welche Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt es in der näheren Umgebung und mit welcher Vorlaufzeit muss man Kinder dort anmelden?
- Wie abgesichert sind die Arbeitsplätze der Eltern?
- Wer nimmt Elternzeit und wie lange?
- Welche Familienberatungsstellen gibt es bei den jeweiligen Arbeitgebern und welche Familienprogramme stehen zur Verfügung, die genutzt werden können?
- Aus welchem Erziehungsumfeld kommt der jeweilige Partner und welche Erziehungserwartungen für das eigene Kind ergeben sich daraus?

Insbesondere der letzte Punkt bietet ein unglaubliches Konfliktpotential zwischen den Eltern, mit den zukünftigen externen Betreuern und in letzter Konsequenz dann auch zwischen Eltern und Kind. Die Frage der Kindererziehung ist vergleichbar mit der Kommunikationsstrategie eines Unternehmens. Jedes Unternehmen, das keine Kommunikationsstrategie vorweist oder die eigene Kommunikationsstrategie permanent ändert, wird nicht nur nach außen ein uneinheitliches Bild abgeben, sondern auch intern Probleme haben, Mitarbeiter zu motivieren und zu halten.

Kinder, deren Eltern uneins in den generellen Erziehungsfragen sind, lernen schnell, Mutter und Vater gegeneinander auszuspielen und die eigenen Grenzen permanent zu erweitern, wenn die Grenzen der Eltern unterschiedlich ausgelegt werden können.
Unabhängig von den eigenen, individuellen Erziehungszielen sind daher zwei Punkte in der Kindererziehung fundamental:

1. Kindern Grenzen setzen und erklären, warum es diese Grenzen gibt,
2. Konsequenz zeigen in der Einhaltung der Grenzen / getroffener Absprachen

Um bereits im Vorfeld Einigkeit über die Erziehungsfragen zu erzielen, sich mit der eigenen Rolle als Elternteil und mit der des Partners auseinanderzusetzen, empfiehlt es sich, mit dem zukünftigen „Business-Partner“ im „Unternehmen Familie“ folgende Fragen zu klären und offen zu diskutieren:

1. Welche Punkte in der Erziehung sind dir besonders wichtig?
2. Welche Werte möchtest du unserem Kind vermitteln?
3. Was schätze ich an dir besonders?
4. In welchen Situationen brauchst du meine Unterstützung?
5. Wann bin ich dir das letzte Mal auf die Nerven gegangen? Welche Situation war das genau?
6. Wie regeln wir diese Situationen zukünftig, wenn ein Kind Zeuge unserer Auseinandersetzungen wird?
7. Denke an unseren zukünftigen Arbeits- und Familienalltag. Nenne mir Situationen, wo wir unterschiedlicher Meinung sein werden.
8. Wie treffen wir in diesen Fällen eine Entscheidung?
9. Was tust du, wenn wir unser Ziel, beide berufstätig zu bleiben, nicht erreichen können?
10. Wie sehr bist du dann bereit, deine eigenen Karrierewünsche zurück zustellen?

Da das Business-Konzept „Unternehmen Familie“ mit zwei gleichberechtigten Familienmanagern immer noch Seltenheitswert hat und sehr vielen Eltern Vorbilder fehlen, ist es besonders wichtig, dass die Partner schon im Vorfeld eine gemeinsame Familien-Vision entwickeln. Zukünftige Kritik aus dem näheren Umfeld, aus der Gesellschaft oder dem Kollegenkreis lässt sich sehr viel besser ertragen, wenn man sich der hundertprozentigen Unterstützung des eigenen Partners sicher sein kann.

Ende Teil 1 (Teil 2 erscheint im Dezember)


Über Melanie Vogel:
Melanie Vogel ist Geschäftsführerin der AoN – Agentur ohne Namen GmbH. Als Initiatorin der women&work, Deutschlands größtem Messe-Kongress für Frauen, wurde die AoN 2012 mit dem Innovationspreis „Land der Ideen“ ausgezeichnet.

Melanie Vogel hat erste Frau die Ausbildung zum Innovation-Coach (Master) ausgezeichnet mit dem "Internationalen deutschen Trainingspreis 2013/2014 des BDVT bei Benno van Aerssen und Christian Buchholz absolviert, ist Mitglied im Innovations-Netzwerk der Stanford University, zertifizierte Trainerin für "Situatives Führen II" nach Ken Blanchard sowie zertifizierte DISG® -Trainerin. Sie hat außerdem am Einführungskurs "TugendProjekt" teilgenommen, Teil des weltweiten VirtuesProject®.

http://www.womenandwork.de

http://www.melanie-vogel.com




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